Kolumnen

Ist das Kunst oder kann das weg?

Einst litt ich zermürbt, außerdem besonders erschöpft, teilnahmslos am Nachmittag in keinesfalls optimistischer Laune ohne versöhnliche Hoffnung auf Besserung vor mich hin. Ich war just an diesem besagten, schicksalhaften Tage zu früh aufgewacht. Ein Tag, der morgens beginnt, kann nicht mehr gut werden. Doch es passierte und mich überkam mich die Erleuchtung.

Mich überkam kam die; nennen wir es bescheiden, aber ehrlich und mir gegenüber respektvoll; die allergrößte aller meiner bisherigen großen und sensationellen Ideen. Es erleuchtete mich: Und er erschien mir. Der Weg aus der Krise. Weg aus der Krise. Der Weg, Poker auf eine andere, neue und gesellschaftlich anerkannte Stufe zu heben.

Poker ist Kunst. Poker soll Kunst werden. Wir erheben Poker zu Kunst.

Kunst darf alles. Satire auch. Das ist wie der Gartenbach, der ist auch Kunst und meint alles zu dürfen. Doch, doch, der Gartenbach ist Kunst. Zwar brotlose Kunst, aber immerhin. Und Lebenskunst. Und Lebensglück, welches sich bei ihm letztendlich in einem soliden Bankkonto, einer guten Mahlzeit und einer tadellosen Verdauung manifestiert. So wie auch das Idol aus dem Gartenbach seiner späten Jugend wohl Kunst gewesen sein muss. Der Marcus, der Jürgen, hier auf Startplatz 4 der Hitparade aus dem August 1972.

Und Pokern kann einen ebensolchen Kunst-Status erreichen; die meisten Pokerspieler sind doch sowieso letztendlich Künstler, freischaffende Kartencreative, eingeengte und dennoch widersprüchlich multiple Persönlichkeiten. Anders ist die Hingabe nicht zu verstehen.

In der Betrachtung von Kunst, sprich Poker, müssen wir schlussendlich immer mehr dem vertrauen, was uns wohlig oder ohne Widerstand eingeht, anstatt dem, was uns erschreckt und unruhig macht.

Poker ist Kunst. So schaffen wir es, aus dem rechtlich limitierten Raum zu kommen, und alles machen und tun zu dürfen, was unser Kartenherz begehrt. Kunst und Poker wärmen uns, schließlich soll keiner hungern, ohne zu frieren. Lieber arm und krank als reich in Wanne-Eickel. Lieber Poker statt röhrende Hirsche in alten, verblichenen Rahmen auf des Großmutters Speicher. Lasset also die strahlende Heiterkeit eines kunstvollen Pokerspiels wirken; auf uns Schöpfer, aber auch auf die Betrachter. Auch wenn wir unverstandene Künstler sind; dennoch schöpferisch wirkend und mit handwerklichem Geschick ausgestattet.

Frage nicht, was Pokerstars oder die Biennale oder Horst Koch für Dich tun kann, frage Dich, was Du fürs Pokern tun kannst. Verstehe Dich als Künstler, als Teil eines weltweiten Kunstwerks. Diese These habe ich noch letzte Woche mit Jo Heinerlein bei einem gemeinsamen Galerie-Besuch diskutiert, und er stimmt mir vollumfänglich zu.

Wenn mich jetzt alle verstanden haben, habe ich mich wohl falsch ausgedrückt. Aber ich glaube nicht, dass diesen kunstvoll verschachtelten lapidaren Quatsch überhaupt irgendjemand verstehen kann. Das wäre dann aber auch zuviel der Kunst.


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