Kolumnen

Handarbeitsseminar

Aufgrund vieler freundlicher und gegenteiliger Aufforderungen meiner verehrten Leser werde ich heute mal keinen literarisch wertlosen Bericht abliefern. Es ist auch mir ein Anliegen, meine verehrten Leser, meine Freunde, meine Fans und meine Leidensgenossen mit sinnvollen Handbeschreibungen zu versorgen.

Ich werde schonungslos offen sein; ich als investigativer Knecht des Bleistiftes lasse kein Detail aus, so unerfreulich es auch sein mag. Diesen nun folgenden Text widme ich allen Fetischisten und Menschen mit Tagesfreizeit. Wie immer berichte ich nur und nichts als die Wahrheit. Die für viele von Euch sicherlich hilfreich und lehrreich sein wird.

Folgendes Berichtenswerte geschah also letzten Samstag beim City Cup in Hamburg:

Erste Hand: Fold, Fold, Call, Fold, Call, ich raise in the dark auf 175, Call, Fold, Small Blind füllt auf, Big Blind (das Weichei) foldet. Flop Kreuz Drei, Herz Vier, Pik Bube. Small Blind (das Weichei) checkt, Platz 3 checkt, Platz 5 setzt halben Pot, ich raise in the Dark auf 1.025. Der Fisch hinter mir schmeißt natürlich weg. Small Blind foldet. Platz 3 callt, Platz 5 ebenso. Auf dem Turn kommt die Herz 7. Spieler auf der Drei checkt, der auf der Fünf ebenso. Ich mache nach nur 3 Minuten Bedenkzeit einen Check in the Dark. Die mit atemloser Spannung erwartete River Card ist die Kreuz 7. Position 3 checkt schon wieder, Position 5 setzt Drittel Pot. Ich; was sonst; mache ein lautstark angekündigtes MinRaiseintheDark. Spieler auf Drei verdreht die Augen und foldet. Nicht alle sind dem Stress gewachsen. Der Semiprofi auf Platz 5 überlegt lange (in der Zeit bin ich rauchen gegangen) und entscheidet sich dann zu einem Call. Auf einem Board vom 3, 4, 7, 7, Bube dreht er voller Stolz As Bube um. Nun wird es für mich dann auch mal Zeit, mir meine Karten anzuschauen; beim Umdrehen erkennt der Tisch, das ich 7 2 gespielt habe. Ich glaube, sogar offsuit. Alle sind mehr oder weniger begeistert.

Zweite Hand: Fold, Call, Call, Call, ich reraise in the Dark auf 225. 3 Folds, der Small Blind callt und der Big Blind lässt sich auch nicht lumpen. Die Spieler auf 3, 4 und 5 wollen auch dabei sein. Sechs Spieler in der Hand. In Sekundenbruchteilen habe ich meine Strategie umgestellt. Der Flop sieht mit Kreuz König, Pik Dame und der Herz 10 alllerliebst aus. Check, Check. Platz 5 (der, der eben schon so schlecht gegen mich gespielt hat) setzt. Kleingeld. Ich call in the dark. Der Small Blind geht raus, der Big Blind macht ein Minraise. Die Limpchecker auf den Plätzen 3 und 4 wollen nicht mehr. Platz 5 callt. Ich calle natürlich auch. Bauchgefühl. Nur noch drei Könner in der Hand. Turn ist die Kreuz 3. Der Big Blind macht einen auf dicke Hose und spielt gegen zwei Spieler 2.500 an. Platz 5 überlegt lange, dann foldet er. Was für mich natürlich keine Option ist, natürlich calle ich. Bauchgefühl. Die Riverkarte ist die Herz Drei. Der Spieler im Big Blind fixiert mich. Versucht mich zu lesen. Keine Ahnung, was er da lesen wollte, ich hab mir ja bis dahin nicht mal meine Karten angeschaut. Ich verwickle ihn in ein Gespräch über das Wetter, über Frauen und über Kamillentee und bitte ihn, nicht mehr als 4.500 zu setzen; dann würde ich callen. Er greift mit diabolisch überlegendem Lächeln zu seinen Chips und setzt 4.450. Ein Mann, ein Wort, natürlich calle ich. In der Sekunde schmeißt er diabolisch lächelnd sein As Bube in Kreuz für die gefloppte Strasse und den Nutflushdraw auf den grünen Filz. Natürlich eine megastarke Hand. Wenn ich nicht ausgerechnet die Karo 10 und die Pik Drei gehabt hätte. Wen am Tisch er dann mit „Idiot“, „Donker“ und „Fisch“ gemeint hat, weiß ich nicht wirklich. Ich tippe mal auf den Dealer. Ich habe ihn aber dann auf ein Glas Wein eingeladen; diese meine großzügige Einladung wollte er aber nicht annehmen. Ja, das Leben kann hart sein.

Nun war auch schon das erste Level um, dank mir mit nur zwei gespielten Händen. Vom vielen Sitzen hatte ich schon leichte Beschwerden untenrum; aber dank der Empfehlung von Jo Heinerlein und einem Einreiben mit dieser Empfehlung konnte ich dann bald darauf wieder Platz nehmen.

Dritte Hand: Fold, fold. Ich raise in the dark. Aber harmlos; fast schon ein Mädchenraise; auf 1.125. Alle schmeissen weg. Bis auf den Big Blind. Der Wahnsinnige raist mich sogar nochmal. Mich! Auf 3.300. Muss ich callen. Zum einen bin ich committed, zum anderen habe ich schon lange keine Hand mehr gespielt. An den Flop kann ich mich nicht mehr erinnern, ich habe mir den auch nicht wirklich angeschaut. Ich wusste aber schon vorher, dass ich all in stelle, falls der Big Blind nur checkt oder klein ansetzt. Was er dann auch tat. Er wollte mich mit lächerlichen 4.500 nervös machen. Mein sofortiger, lauter, nachdrücklicher Schrei „All in, und zwar alles“ zwang ihn dann zum Nachdenken und nach einer gewissen Zeit des Insichgehens foldete er (offen) seine Damen. Ich bin mir nicht sicher, aber ich kann mir vorstellen, dass es ein extrem guter Fold war. Für mich.

Vierte Hand: Call, call. Ich folde in the Dark. Kein neuer strategischer Ansatz; dennoch kommt er immer wieder gut an. Man muss sein Spiel halt variieren können.

Nächste Woche dann erkläre ich die Hände 5 bis 119. Für heute freut es mich, wieder ein Quell der Freude, der Inspiration für Euch gewesen zu sein. Alles Gute, auch beruflich. Möge der Gartenbach mit Euch sein.


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