So stehe ich englisch diszipliniert, vorfreudig und voller Hoffnung auf einen Cash in der Menschenschlange der Massenabfertigung an. Kaum das erste Blindlevel verpasst, über 750 Registrierungen bedürfen eben seiner Zeit, und schon kann ich munter an einem äußerst spielfreudigen Tisch mitmischen. Es dauert auch nicht allzu lange, bis ein ziemlich netter, aber hyper aggressiver Typ bei einem Flop, 9,10, 2 inklusive zwei Herzen, um meine gesamten Chips spielen will. Ich selbst halte 9,10. Da ich mir ziemlich sicher bin momentan die beste Hand zu haben, nehme ich sein Geschenk an, denn JJ des Gegners können sich nicht verbessern – ich triumphiere still.
Bisher blieb der direkte Rechte Platz neben mir unbesetzt, aber nun nimmt diesen ein geschwätziger, freundlicher Amerikaner aus Kentucky ein, und plaudert sofort auf mich los: „Dein Akzent, ist der Deutsch?“ Enttäuscht, ich versuche nämlich so akzentfrei wie möglich zu sprechen, gestehe ich. Munter plappert er weiter: Er habe neulich mit einem Paar aus Deutschland gespielt, die sich über seinen Akzent lustig gemacht haben und fragt: „Kennst du Kesa Seda?“ Ich: „Sorry, wen?“ Er: „Keeesaaa Seeedaaar!“ Natürlich! Da geht mir ein Licht auf! Warum nicht gleich so! „Oh, du meinst Katja Thater!“ platze ich freudig, als hätte ich die Millionenfrage gelöst, heraus. „Yes!“ bestätigt er zufrieden. „Also ja, ich kenne sie, allerdings nur durch die Medien, jedoch nicht persönlich“, beantworte ich seine Frage. „She is sooo beautiful, so tall and such a good player! “ – So, sein schwärmerischer O-Ton. „Und ihr Mann, wie heißt der nochmal?“ „Jan von Halle“, informiere ich. „Yes!“ „Nice Guy!“ schwärmt er weiter. „Grüße sie von mir!“ „Äh, aber ich kenne sie doch nicht – persönlich“, interveniere ich! „Das wäre wirklich sehr nett von dir“, ignoriert er mich mehrmals! „Äh, yes“, (not)lüge ich und beende das Thema.
Im Eifer des Gesprächs, hatte ich fast schon vergessen, wie sehr ich in den unterkühlten klimatischen Bedingungen des Casinos friere. Doch der Anblick der Serviererin, die mir in ihrem knackig-halbnackigen Outfit, mit weit ausgeschnittenem Dekolleté und einem kleinen Stück Stoff um der Hüfte, das nur teilweise den Po bedeckt, ein Getränk reicht, lässt mich der kalten Tatsache wieder bewusst werden. Nicht, das ich, wie eine katholische Bibelschwester prüde bin, aber ein paar Zentimeter mehr Stoff sähen ebenfalls oder vielleicht mehr sexy aus, würden wärmen, und ganz ehrlich, manche Figuren könnten das wirklich vertragen. In der Pause, an den Waschbecken der Restrooms, fragt mein Spiegelbild spontan das einer bildhübschen Bedienung: „Wie fühlst du dich, so halbnackig, in einem ultrakurzen Röckchen zu arbeiten?“ Mit einem überraschten Lächeln antwortet sie bereitwillig: „Manchmal friere ich sehr, aber wenn so viel wie im Moment zu tun ist, geht es. Außerdem, trage ich hier wenigstens einen Rock im Gegensatz zum Rio. Man gewöhnt sich an alles.“ Na, das nenne ich mal positives Denken!
Aber zurück zu meiner Pokergeschichte. Mein Stack leidet am Yo-Yo Effekt. Wie erwähnt, herrscht an meinem Tisch große Action. Am besten führe ich mal ein paar signifikante Hände auf: Mein schönes Plus verliere ich mit AK vs. AJ, gewinne dieses wieder gegen denselben Maniac, mit QJ vs. Q10. Verliere ein Set gegen gerivertes Flush, verdopple wieder weil mein Top Pair mit Top Kicker nicht ausgedrawt wird usw. Allerdings, so donkig wie es auf den ersten Blick scheint war es aber nicht.
Nach einem Tischwechsel spiele ich vorerst so munter und mutig weiter, doch allmählich wird mein Spiel unrund, als hätte es Sand im Getriebe. 9 Stunden sind bereits verstrichen, die Blinds schon hoch, meine Karten klein, und die Spots – trotzdem Druck auszuüben, Mangelware. Den Strohhalm in Form von A, Q, suited ergreife ich kompromisslos und pushe meine letzten ca. zwölf Blinds, die sich als Kanonenfutter für Asse entpuppen. Schlussendlich haben die Asse die Oberhand behalten, ich verabschiede mich mit einer Platzierung um 110, und somit 30 Plätze vor meinem erhofften Cash!
Wieder einmal fühle ich mich wie eine unreife Frucht, die zu früh vom Baum gefallen ist. Was soll`s! Dann unternehme ich eben morgen das, was ich bisher in Vegas am erfolgreichsten kann: Shoppen! Vielleicht erhält man dafür auch ein Bracelet? Eines von Ed Hardy würde mir gefallen.
To be continued…