Gespräch? Das ist doch das, wenn ich spreche und alle anderen hören zu, nicht? Und wenn das ausnahmsweise nicht der Fall ist, handelt es sich um – zeitlich begrenzte – nonverbale Kommunikation hinter verschlossenen Türen…
Nein, Spaß beiseite. Ich schätze natürlich gute Konversation. Wobei es mit Gesprächen wohl so ist wie mit vielen guten Dingen im Leben: Sie sind rar und man schätzt sie erst richtig, wenn man sie aus irgendeinem Grund nicht mehr hat. Zudem kommt es primär auf die – leider zum Großteil nicht gegebene – Qualität selbiger an. Sie werden zudem von den individuellen Fähigkeiten bestimmt, bedürfen einer gewissen Kultur und sind abhängig vom jeweiligen Gegenüber.
Ich bin nicht der kommunikative Typ
Bezogen auf die Quantität gehöre ich zweifelsohne zu den Privilegierten. Egal ob im Geschäft oder bei diversen Veranstaltungen, die Leute suchen das Gespräch mit mir. Ob das immer ein Segen ist, wage ich zu bezweifeln. Vor allem dann, wenn es wirklich passiert, dass nur ich spreche und die anderen lediglich zuhören. Und auf das kann ich mittlerweile eigentlich verzichten. Denn – ehrlich gesagt – oft kann ich mein eigenes Gschmarre selbst nicht mehr hören. Aber bevor ich mir die Leute, die nur um des Redens willen sprechen, stundenlang anhöre, langweile ich mich lieber mit meinem eigenen Geschwafel. Auch wenn das vielleicht unglaubwürdig klingen mag: Ich bin nicht der kommunikative Typ. Wenn ich privat unterwegs bin, ist es für mich das Schönste, allein beim Heurigen zu sitzen, ohne dass mich jemand anspricht. Wenn dann noch gute Live-Musik gespielt wird, ist es ein perfekter Abend. Außerdem, Hand aufs Herz, wie viele Gespräche, bei denen man sich was mitnehmen kann, führt man trotz größten Bemühens wirklich? Sei es an Wissen oder an positivem Gefühl?
Aber wie schon hundert Mal beschrieben, bin ich halt in den seltensten Fällen privat unterwegs, sondern beinahe immer für das Geschäft. Und da gehören Gespräche eben dazu. Sei es beim Golfen, beim Pokern oder im Pascha.
Pascha-Gespräche
Die Leute sind immer wieder verblüfft, wenn sie erfahren, wie viele Männer allein des Redens wegen ins Pascha kommen. Oder auch schlicht des Zuhörens wegen. Es ist ganz normal, dass unsere Damen auch gebucht werden, nur um jemandem ihre ganze Aufmerksamkeit zu schenken, um ein offenes Ohr für ihn zu haben. Eigentlich eine traurige Entwicklung, zumal man davon ausgehen können sollte, dass die Menschen, wenn schon nicht für andere schöne Dinge, zumindest fürs Reden und Zuhören jemanden haben.
Ich selbst kann mir natürlich nicht vorstellen, dass ich jemals das Verlangen verspüren könnte, mir freiwillig das Geplapper einer Frau oder mein eigenes Geschwafel anzuhören, ohne adäquates Feedback zu bekommen. Wenn ich dafür bezahle, dann eindeutig für „Gespräche“ ohne Mitlaute – vereinzelte Aaaahs und Oooohs reichen mir vollkommen – oder gleich nonverbale Kommunikation.
Natürlich, wenn es sich nicht vermeiden lässt, höre ich mir seichtes Gerede schon an, aber das geht – wie bei jedem uninteressanten Gespräch – bei einem Ohr rein und beim anderen raus. Lernt man eine Frau kennen, ist es natürlich wichtig, schon mal ein bisserl durchzuhalten. Wobei sich meist in den ersten zehn Sätzen alles abzeichnet und Weiteres eigentlich vermieden werden kann. Bereits mein Großvater hat gesagt: Beim ersten gemeinsamen Laib Brot muss alles geklärt sein. Und das sehe ich auch so. Denn wenn man(n) schlau ist, erklärt man hier zu Beginn seinen Standpunkt. Ohne groß was vorzumachen. Da begehen die meisten einen Fehler. Denn gebe ich mich hier, nur um sie eventuell rumzukriegen, als großer, einfühlsamer Zuhörer, der für alles Verständnis hat, muss ich mir ihr Geplapper gegebenenfalls monate-, wenn nicht jahrelang anhören. Da ist es doch einfacher, gleich zu sagen, was Sache ist, und dass ich nicht gewillt bin, meine Entscheidungen zu diskutieren, geschweige denn infrage stellen zu lassen. Dass mir die Rolle des Frauenverstehers so fremd ist wie ein Tag ohne Arbeit. Und dass ich für Gespräche genügend Freunde und Geschäftspartner habe.
Gesprächspoker
Auch beim Poker ist das Gespräch für mich extrem wichtig. Hier schätze ich sogar ein lustiges Geplänkel. Ich habe halt gern meine Gaudi. Und so es kommt nicht von ungefähr, dass ich mich beim Onlinepoker, wo du einsam vor deinem Computer hockst, oder bei einem Turnier, wo fast alle mit ihren Kopfhörern dasitzen, nicht wohlfühle. Wobei ich mich auch beim Cashgame immer wieder sehr wundern und in Folge oft stark zusammenreißen muss. Wie zum Beispiel bei meinen monatlichen PLO-Runden im Montesino und im Casino Salzburg. Das sind ja auch personell gesehen ganz kleine, beinahe private Partien. Und dann kommen da Leute an den Tisch, sagen weder „Muh“ noch „Mäh“, geschweige denn „Grüß Gott“ und wer sie sind, sondern setzen sich einfach hin und spielen mit. Da fällt es mir dann wirklich schwer, die Leute nicht wie gewohnt darauf hinzuweisen, dass ich gewisse Umgangsformen von meinem Umkreis erwarte, und meiner „öffentlichen Person“ gerecht werde, indem ich gute Miene zu flegelhaften Benehmen mache.
Noch dazu, wo mir mangelnde Kinderstube wirklich total unverständlich ist. Es ist ja wohl das Normalste auf der Welt, dass ich, wenn ich an einen Tisch komme, grüße und sage „Hallo, ich bin der Hermann“. Diesen Leuten kannst du ja auch sonst nirgendwo mehr die Hand geben, wenn du sie wo sitzen siehst, ohne sie zu blamieren. Nämlich dahingehend, dass man sich sicher sein kann, dass sie nicht mal das kleine Benimm-Einmaleins beherrschen und mit Sicherheit sitzen bleiben würden, wenn du ihnen die Hand gibst. So was ist mir zugegebenermaßen zu hoch. Das begreife ich nicht. Denn egal, wo ich herkomme – Benehmen kann ich mir aneignen. Ab einem gewissen Alter gilt die Ausrede nicht mehr, halt auf kein gutes Elternhaus zurückblicken zu können. Da brauche ich nur mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und mir was abzuschauen.
Oder, was die Leute bei mir oft belächeln, einmal einen alten Film anschauen und zusehen, wie Hans Moser und Co. dort agieren. Ich muss ja nicht gleich „Küss die Hand, gnädige Frau“ sagen, aber ein Minimum an Benimm kann ich mir bei jedem dieser Filme rausholen.
Wer fragt, ist ein Narr für fünf Minuten, wer nicht fragt, bleibt es für alle Zeit.
Mit gutem Benehmen bin ich immer richtig dabei – egal in welcher Gesellschaft ich mich bewege. Genauso ist man auch prinzipiell im Vorteil, wenn man redegewandt ist und ein gutes Gespräch führen kann. Sei dies geschäftlich, privat, beim Pokern oder natürlich bei Frauen. Da gilt es natürlich gewisse Regeln zu befolgen und auch eine gewisse Allgemeinbildung und Benehmen mitzubringen. Dabei muss man nicht mal studiert haben, um sich mit einem Akademiker zu unterhalten – auch wenn es die Sache vielleicht manchmal erleichtern würde. Ich finde, es ist keine Schande, wenn man das eine oder andere Fremdwort nicht versteht und sagt „Gib acht, ich hab nicht studiert, unterhalt dich mit mir in normalem Deutsch, ohne hochwichtige Vokabeln, damit ich dich verstehe“. Man kann schon offen seine Meinung sagen und zu dem stehen, wer, wie und was man ist. Man braucht nicht so zu tun als ob. Wenn ich was nicht verstanden habe, frage ich nach. Es gibt ja wohl nichts Peinlicheres als die Leute, die so tun, als ob sie das Gesagte mitbekommen hätten und sich infolge um Kopf und Kragen reden, weil ganz klar rauskommt, dass sie lediglich Bahnhof verstanden haben.
Sich fragen zu trauen benötigt natürlich eine gewisse Portion Selbstbewusstsein und Bildung. Aber wie heißt es so schön: Wer fragt, ist ein Narr für fünf Minuten, wer nicht fragt, bleibt es für alle Zeit. Eigentlich gilt es nur zu wissen, was ich fragen kann und wo ich mich besser zu Hause mit einem guten Buch schlau mache. Hinzu kommt, dass Fragen dem Gesprächspartner ja eigentlich signalisieren: Ich höre dir aufmerksam zu, nehme dich ernst und setze mich mit dem Gesagten auseinander. Also sollte man in den meisten Situationen wirklich keine Scheu davor haben und frei heraus Unklarheiten ausräumen.
Ich war schon bei vielen Veranstaltungen, bei denen ich das kleinste Licht war. Sei es vom Intellekt her oder vom Geld. Aber deswegen hatte ich trotzdem keine Scheu, mich dort zu bewegen und Fragen zu stellen. Im Gegenteil. Solche Gespräche sind höchst interessant, man lernt viel, selbst wenn man sich nicht aktiv beteiligt, sondern lediglich zuhört.
Vor Mikrofonen gehen mir die Pferde durch
Deshalb ist es natürlich wichtig, nicht nur zu sprechen, damit ich das Maul aufmache und die Luft verpeste, sondern halt auch das Hirn einzuschalten, bevor ich rede. Und das versuche ich schon. Immer vorausgesetzt, es ist kein Mikrofon in der Nähe. Da, muss ich zugeben, gehen mir leicht die Pferde durch. Wenn ich da nicht zufällig in das panisch verzerrte Gesicht eines Mitarbeiters von mir blicke, gibt es oft kein Halten. In Zeiten des Internets natürlich ein doppelter Wahnsinn. Denn hat man früher bei diesen im Prinzip ja nicht wichtigen Dingen noch gesagt, was interessiert mich mein Gschmarre von gestern, ist das heutzutage der Öffentlichkeit natürlich für ewig zugänglich. Und – beinahe noch schlimmer – einem selbst auch.
Gespräche mit Handschlagqualität
Für mich ist das oft doppelt hart, weil ich eigentlich für Handschlagqualität stehe. Ich brauche keine Verträge. Und das berühmte „Wer schreibt, der bleibt“ ist eindeutig nach meiner Zeit modern geworden beziehungsweise an mir vorbeigegangen. Bei grundlegenden Dingen gilt bei mir mein Wort. Und zu dem stehe ich, auch wenn es dann eigentlich nicht mehr so passt. Zum Beispiel mein heuriger Geburtstag. In meiner Überschwänglichkeit zu meinem 50er habe ich dem Wirt damals versprochen, auch meinen 60er bei ihm zu feiern. Jetzt, zehn Jahre später, passt der Rahmen, den dieses Hotel bietet, eigentlich nicht mehr so ganz. Obwohl es ein nettes Lokal ist. Aber ich habe eben mein Wort gegeben, und deswegen feiere ich auch dieses Jubiläum dort.
Das Gleiche gilt für das Pascha. Da braucht mir keiner mit Verträgen zu kommen. Da wird was ausgemacht, und das hält. Genauso wie ich mir noch nie Zeugnisse von Bewerbern habe zeigen lassen. Ich bin halt einmal ein Bauchmensch. Da gibt es ein Gespräch, und wenn dieses passt, anschließende Probezeit. Mit diesem System bin ich fast immer richtig gelegen. Denn bereits bei diesem ersten Gespräch erfährt man eigentlich das meiste von dem Bewerber. Man sieht zum Beispiel, ob er verlässlich ist, indem er pünktlich erscheint, engagiert ist, indem er vorbereitet zu dem Gespräch kommt, ob er Selbstbewusstsein hat und einem beim Sprechen in die Augen sieht, Durchsetzungsvermögen besitzt und die Begrüßung mit einem festen Händedruck vonstatten geht oder ob er Benehmen hat, indem er sich nicht ohne Aufforderung hinsetzt.
Geiz ist alles andere als geil
Das gilt nicht nur für Mitarbeiter, sondern auch für Vertragspartner und Lieferanten. Da zahle ich bei gleichwertigen Angeboten schon mal ein paar Tausender mehr, weil mir der eine Lieferant durch geführte Gespräche halt einfach sympathischer ist. Ich muss dann auch nicht bis zum letzten Euro handeln. Leben und leben lassen ist meine Devise. Aber das alles ergibt sich erst im Gespräch. Wobei ich gestehen muss, dass ich ohnehin nichts mit der „Geiz ist geil“-Mentalität mancher Menschen anfangen kann. Was, bitte schön, ist an Geiz geil? Ich habe noch nie einen geizigen Menschen getroffen, der ein geiler Typ war. Geizige Menschen sind alles andere als beneidenswert.
Aber zurück zum eigentlichen Thema. All die oben angeführten Faktoren zählen natürlich auch im Privatleben. Man muss sich halt für die Dinge interessieren, die gerade aktuell sind. Sich informieren, regelmäßig Nachrichten schauen oder Zeitung lesen. Man kann schon viel dazu beitragen, ein angenehmer Gesprächspartner zu werden. Wenn ich mich mit Freunden zum Pokern treffe, die alle Fußballfanatiker sind, wird sich das Gespräch bald totlaufen, wenn ich von der aktuellen Tabelle keine Ahnung habe. Wobei ich gestehen muss, dass bei mir keiner am Thema Pascha vorbeikommt. Die Runde gibt es nicht, in der das Gespräch nicht früher oder später darauf kommt, wenn ich dabeisitze. Aber das wissen die Leute und akzeptieren es auch. Zumal sie auch wissen, dass ich ansonsten schnell wieder weg bin. Es ist halt mein Geschäft. Und über das Geschäft lässt es sich am besten reden.
Hermann Pascha