Heute schreibe ich absichtlich etwas langsamer, weil ich weiß, dass viele von Euch nicht so schnell lesen können. Dafür schreibe ich heute über eine Thematik, die sicherlich die meisten von Euch verstehen, weil sie selber Betroffene sind.
Natürlich macht Gewinnen mehr Spaß. Natürlich ist es geiler, mit dem Pokal und dem fetten Siegerscheck fotografiert zu werden. Natürlich. Genauso natürlich aber schaffen das fast ausschließlich die anderen. Was man dann neidvoll anerkennen muss. Natürlich macht gewinnen viel mehr Spaß. Aber so schön ist das nun auch wieder nicht. Dann nämlich beginnt doch der Ärger. Das Finanzamt möchte seinen Teil und auch die Lebensabschnittsgespielin will Kohle davon abhaben. Alte Freunde und auf einmal auch neue Kumpels schnorren. Die Medien werden auf einen aufmerksam und man muss sich interviewen lassen, sich in Pose setzen für Fotos und dusselige Antworten auf dusselige Fragen vor der Kamera geben. Wenn man richtig Pech hat, stehe sogar dann ich mit dem Mikrofon in der Hand vor einem. Schön ist das nicht. Man muss sich für sein geniales Spiel und den zu den richtigen Momenten eingesetzten Glücksintervallen rechtfertigen. Man muss erklären, warum man so ein unglaublich guter Spieler ist. Obwohl das ja im Prinzip nicht stimmt. Und dann, nach dem ganzen Rummel, ist das Problem mit dem Finanzamt immer noch nicht geklärt. Nein, da verliere ich doch lieber. Irgendwie.
Da bleibe ich lieber ab dem vierten Level der engagierte Zuschauer. Bis dahin durfte ich mitdonken und mitzittern. Dann wurde ich erlöst von der möglichen Last des Gewinnens, von der Bürde des Stresses am Final Table. Mich belasten die weiteren kriegerischen Handlungen nur noch als Zuschauer. Ich bin nur ein Zivilist in diesem Kartenkrieg. Weit weg von der Front. Auf der sicheren Seite der Grenze. Mit einem Glas in der Hand. Entspannt an der Bar dem Gemetzel zuschauend. Unbeteiligt in dem bewaffneten Konflikt der Chipvernichtung. Als Augenzeuge des Sterbens. Ohne humanitäre Entrüstung. Mit dem nächsten Glas in der Hand und einem Teller vor mir. Irgendetwas mit Wurst darauf. Glücklich, zufrieden und vor allem unversehrt. Ohne Angst vor dem nächsten River, ohne Gedanken um das für mich zuständige Finanzamt und ohne Überlegungen, was ich der Presse sagen soll, wie ich mein Spiel und mich erklären soll. Ich bin kein Opfer mehr fehlgeleiteter Angriffe auf meinen Stack. Meine derzeitigen strategischen Überlegungen gehen nur noch in schöne, weil bedeutungslose Richtungen. Vorbei mit dem Terror. Ich bin nicht mehr in der Opferrolle, mich belastet kein Flop mit drei Karos mehr, mich interessiert nicht einmal mehr, ob der Typ auf Platz 4 immer acht Minuten überlegt. Alles nicht mehr mein Problem. Ich muss keine Verantwortung mehr übernehmen. Die Genfer Konventionen gehen mir jetzt auch am Arsch vorbei. Meine einzige Pflicht besteht darin, mein Glas neu auffüllen zu lassen. Weit weg von dem suizidalen Spiel, weit entfernt von Vernichtung.
Ja, die Strategie des Verlierens ist gar nicht mal so schlecht wie alle immer denken.