Am 8. September 2010 wurde die deutsche Glücksspielwelt durcheinander gebracht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) spricht sich gegen das staatliche Sportwetten-Monopol aus und seitdem hoffen nicht nur die Sportwetter, sondern auch die Pokeranbieter. Wir haben mit einigen Spielern gesprochen und auch Betfair gefragt, welche Veränderungen man sich durch das Urteil erwartet.
Stephan Kalhamer
Pokercoach
Ein großer und wichtiger Sieg. Es ist völlig offen was passiert, aber es ist trotzdem entscheidend, das ein System, das aus meiner Sicht eine Doppelmoral beinhaltet, nämlich der große Widerspruch Sorgfaltspflicht des Staates zum Schutz der Büger vor Glücksspiel, im Gegensatz zu Werbung für staatliches Glücksspiel. Dieser Widerspruch bestand für mich schon immer und war himmelschreiend und wider jeder Logik. Ich finde es gut, dass damit dem Thema einem Ende gesetzt wurde. Ob das was dann kommt besser ist, weiß man nicht.
Martin Kläser
Full Tilt Pro
Wir sind legal, Hurra. Aber was das jetzt für uns heißt in Zukunft, weiß man auch nicht. Jetzt muss erstmal eine Neuregelung gefunden werden. Der deutsche Staat wird sich jetzt mal den Kopf darüber zerbrechen. Ich hoffe aber, dass private Pokerunternehmen in Deutschland aufkommen und dass damit die Casinos besser werden, zumindest die staatlichen. Ich finde die Casinoszene in Deutschland schwach. Natürlich Vegas ist kein Vergleich, aber wenn ähnlich Systeme im kleineren Maßstab aufgezogen werden, mit besserer Organisation, besseren Dealern, besseren Floormen, dann könnte das einen Aufschwung der deutschen Pokerszene geben, ähnlich wie jetzt in Österreich mit all den Cardrooms.
Michael Körner
Sport1-Moderator
Das Gerichtsurteil des EuGh ist nicht so die ganz große Überraschung, aber ich denke, wir sind mal aus der Sackgasse raus. Jetzt geht es darum, dass die verschiedenen Länder eine Lösung finden. Es ergibt ja auch Sinn da etwas zu ändern. Man muss einfach verhindern, dass soviel Geld ins Ausland geht und wer sich da von den Politikern gegen eine Regelung sträubt, der kann ja gar nicht mehr Steuererhöhungen oder was immer auch durchsetzen wie zum Beispiel die Brennelementesteuer. Es sind ja genügend Möglichkeiten, Poker oder Casinos zu lizenzieren, zu privatisieren, dass dadurch dann das Geld im Land bleibt.
Wir leben in einer Bürokratie, der Glücksspielstaatsvertrag muss aufgekündigt werden, es muss neu verhandelt werden. Kurzfristig wird sich aber gar nichts ändern. Wir müssen die kleinen Schritte gehen, Lobbyarbeit und Überzeugungsarbeit muss geleistet werden und Menschen wie Kurt Beck mit ihrer hanebüchenen Philosophie müssen vor den Kopf gestoßen werden, damit sie die Sache wirklich mal bei klarem Licht sehen. Kurzfristig ändert sich gar nichts, aber vielleicht in zwei bis drei Jahren.
Hans Martin Vogel
Full Tilt Pro
Ich finde es hervorragend, dass die Gesetzgebung in der Richtung mal geändert worden ist, man weiß aber nicht, wie das langfristig vom Gesetzgeber umgesetzt wird, aber natürlich finde ich die Öffnung wünschenswert. Man sieht ja, dass gegen ein EU-Gesetz verstoßen wurde und man kann bloß hoffen, dass es geöffnet wird. Wünschenswert wäre es, dass eine Pokerlandschaft entsteht, wie es zum Beispiel in England der Fall ist. Auch Sportwetten braucht eine Liberalisierung und der Staat soll so wenig wie möglich reglementieren.
Ich vermute allerdings, dass der Staat wieder einen Gummiparagraphen beschließt und sich gar nicht viel ändern wird. Aber jetzt anfangs werden die Sportwettbüros als erstes wieder eröffnet, weil die sind schnell eröffnet. Für’s Pokern selbst, wird sich im ersten Moment wenig ändern, weil es ja doch intensiver ist ein Casino zu eröffnen. Trotzdem glaube ich, dass wieder ein Knüppel zwischen die Beine geworfen wird, wie von Oddset und Lotto und wie sie alle heißen die staatlichen Betreiber. Es war aber auf jeden Fall ein Schuss vor den Bug und wir dadurch etwas Rückenwind haben im Kampf gegen die staatliche Reglementierung.
Dr. Peter Reinhardt, Regional Manager Central Europe bei Betfair
Wie wird sich das EuGh-Urteil auf Live- bzw. Onlinepoker auswirken?
Dr. Reinhardt: Wir gehen davon aus, dass sich das staatliche Glücksspielmonopol doch letztlich dem Urteilsspruch des EuGH beugen muss. Es wird eine Öffnung des Marktes auch für das Pokerspiel geben. Es macht keinen Sinn, eine ganze Branche und Millionen von Spielern in Schwarzmärkte abzudrängen und zu kriminalisieren. Damit ist nun wirklich niemandem gedient, weder dem Verbraucher, noch der Industrie und auch nicht dem Staat, der ja gerne mitverdienen möchte und dies auch tun soll. Zudem brauchen wir eine effektive Glücksspielaufsicht in Deutschland. Das EuGH Urteil hat vielen Politikern die Augen geöffnet, dass in diesem Land in Sachen Glücksspiel etwas falsch läuft.
Glauben Sie, dass es – wenn die Gesetzeslage wirklich klar ist – zu einem zweiten Pokerboom kommen wird?
Nein, das glaube ich nicht. Die Zeiten des nahezu grenzenlosen Wachstums sind vorbei. Wir sehen in den nächsten Jahren nur noch ein moderates Wachstum- und einen verstärkten Wettbewerb.
Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern, bis es zu einer tatsächlichen Öffnung des (Poker-)Marktes kommen wird?
Der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag läuft Ende 2011 aus. Eine Entscheidung muss also spätestens nächstes Jahr getroffen werden. Wir rechnen damit, dass ab 2012 eine entsprechende Rechtssicherheit hergestellt sein wird.
Kann es überhaupt zu einer Privatisierung des Marktes kommen oder wird es auf nationaler Ebene Initiativen geben, um das EuGh-Urteil zu umgehen?
Natürlich kann es eine Teilliberaliserung des Marktes für Poker und Sportwetten geben. Das haben sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der EuGH bestätigt. Ein EuGH Urteil lässt sich nicht ohne weiteres umgehen, da es für Deutsche Gerichte bindend ist. Es gibt zwar Initiativen, die gern alles verbieten wollen, auch das Automatenglücksspiel in Deutschland. Wir haben aber in den letzten Jahren gesehen, was eine solche Prohibition bewirkt: Die Entstehung unkontrollierter Schwarzmärkte. Diesen Weg wird die Politik nicht gehen.
Glauben Sie, dass es eines Tages eine gesamteuropäische Regelung in Bezug auf Poker (nach amerikanischen Vorbild) geben wird?
Ja, das glaube ich. Nur bin ich mir nicht sicher, ob wir das noch zu Lebzeiten erleben werden. Sie sind ja noch jünger, vielleicht schaffen Sie es noch.