Kolumnen

Null Bock

Ich habe absolut keine Lust, mich hinzusetzen und irgendetwas über Poker zu schreiben. Absolut keinen Bock. Ich würde mir jetzt lieber elf Zähne ziehen lassen oder meine zweite Penisverkleinerung angehen, als über Poker nachzudenken.

Keine Lust über verlorene Asse nachzudenken, geschweige denn darüber zu schreiben. Ich vergeude mein literarisches Talent. Und meine wertvolle Zeit. Die Preflopdrecksasse sollten sowieso verboten werden. Vor allem wenn man gegen (hier darf ich mein großes Idol zitieren) another drunken idiots from eastern europe spielt. Natürlich treffen die Bettnässer ihr Two Pair mit 7 4. Was denn auch sonst.

Nein, keine Lust darüber zu schreiben. Auch nicht über die harten Kerle am Tisch. Das Gesicht voller Pickel, noch niemals Geschlechtsverkehr mit einem andersgeschlechtlichen Partner gehabt; aber alle Pokerbücher auswendig gelernt. Durch ihre Sonnenbrille fixieren sie dich, machen einen auf Chuck Norris oder die jüngere Schwester von Pius Heinz, um dann nach drei Minuten und 48 Sekunden unbeweglicher Überlegungszeit zu folden. Aber das total cool und männlich. Wie sagte meine Oma damals: Unter so mancher rauhen Schale verbirgt sich doch ein weicher Keks.

Schwach, klein und kränklich, viel zu mittelmäßig und harmlos nichtaggressiv genug für die schwer durchschaubare Dynamik des Alltags; aber am Pokertisch den wilden Mann machen.
Nein, darüber will ich nicht nachdenken. Sonst werde ich wieder aggressiv. Proaggressiv auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten, auf dem Volksfest der Selbstüberschätzung. Narzissmus meets eindimensionale Gespräche. Selbstbeweihräucherung trifft auf Sucht. Glück trifft auf Nichtkönnen und verliert.

Und wenn ich noch ein Maskottchen auf dem Tisch sehe; welches aus Stoff und größer als 8 cm ist, drehe ich endgültig durch. Ich hatte backdoor zwei Paar.

Ich bin überpokert und unterfordert. Oder umgekehrt. Oder ich habe einfach meine Mitleid-Crisis. Meine Gemütslage ist eher ungemütlich. Ich würde jetzt eher ein Dreirad-Rennen machen als eine Partie Omaha. Oder zwei Stunden Extrembügeln.

Einen Pokerspieler, so glauben Geisteswissenschaftler, muss man sich als glücklichen Menschen vorstellen, habe ich zuletzt irgendwo gelesen. Er spekuliert nicht, sondern rechnet, er sucht nicht mühsam nach der Wahrheit, sondern hält sie in den Händen. Was für ein Schmarren. Es gleicht vielmehr einem fragmentierten Exodus extraterrestrischer Gestalten an einem ovalen Tisch. Gravitierende neuronale Missionen. Impossible. Existenz ausschließlich anhand von 52 Karten. Ohne Würfel.

Ja, das waren viele ungewöhnliche, fremde Wörter, die wohl die wenigsten verstanden haben. Weil kein einziges Mal solch tägliche, allseits bekannte Begrifflichkeiten wie doublestraightbackdoorflush oder bellybusterunderthegun vorkamen. Mea culpa. Auch egal.

Ja, ich habe das Pokerburnout. Und meine extrem misanthropische Einstellung. Böse Zungen behaupten, das eine bedingt das andere.
Und, nein, ich will kein Mitleid. Und jetzt leg ich mich wieder hin. Sollten viele andere auch mal häufiger machen, oder sich ein anderes Hobby suchen. So wie ich. Gute Nacht, Deutschland.  Fisch dich.


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
8 Comments
Inline Feedbacks
View all comments