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WCOOP 2012 Abräumer ‚Jossel2008‘ im Interview

Zwei Deutsche in Irland. Beide haben einen langen Nachnamen, den sie bei Telefonaten immer mehrmals buchstabieren müssen. Beide leben sie vom Poker, der eine spielt, der andere schreibt darüber. Doch hier hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf.

Der Spieler ist Anfang 20 und besitzt eine soziale Ader. Der Schreiberling fühlt sich wie Ende 40 und wurde schon mehrfach von anderen als asozial bezeichnet. Und dann war da noch die Sache mit dem dicken Cash. Jossel2008 hat beim Main Event der World Championship of Online Poker 2012 satte $814.602,12 kassiert und ist damit der erfolgreichste deutschsprachige Spieler der Serie. PokerStrategy Coach ‚TeddyTheKiller‘ hat sich für die Leser von Poker Firma Zeit genommen und einige Fragen beantwortet.

PF: Du lebst ja schon ein paar Jahre auf der grünen Insel, wie kamst du nach Irland?
Johannes: Ich lebe seit fünf Jahren in Irland. Ursprünglich kam es durch ein simples Auslandsjahr dazu. Im Ausland zur Schule gehen war etwas, was ich immer schon einmal machen wollte. Im Endeffekt hab ich mich dann dazu entschieden in Irland zu bleiben, weil es mir so gut gefallen hat und ich mittlerweile auch so ein bisschen Wurzeln geschlagen hatte. Gott, das klingt wie so eine typische Standardinterview Antwort, wie man sie immer liest (lacht).
Es gab natürlich noch viel mehr Gründe dafür, dass ich in Irland geblieben bin.

PF: Wie lange hat es gedauert, bis dir der Toast auf die Nerven ging und du deutsches Brot vermisst hast?
J: Circa eine Woche.

PF: Thema Linksverkehr. Gab es zu Beginn materielle Verluste zu verbuchen?
J: Nicht dass ich mich erinnern könnte. Ich bin aber definitiv einige Male auf der Fahrerseite eingestiegen. Dazu muss man sagen, dass ich bis heute keinen Führerschein habe.

PF: Also doch eher wie ein echter Ire. Nächste Frage, Gaelic Football und Hurling oder doch eher die Bundesliga?
J: Keines von beidem. Aber wenn die Frage lautet, Fußball spielen oder Gaelic Football/Hurling spielen, dann lautet die Antwort definitiv Fußball.

PF: Gute Wahl. Doch kommen wir zum WCOOP ME. Ehrlich gesagt habe ich dich an Tag 1 in den Chipcounts übersehen. Erzähl mal, wie du so durch den Tag gekommen bist.
J: Naja das lag daran, dass ich eher im unteren Drittel zu finden war. An das Spiel an sich kann ich mich auch kaum erinnern. Allerdings hatte ich mich sehr gut vorbereitet, hatte bereits die Tage zuvor meinen Schlafrhythmus ein bisschen umgestellt, bin ein paar Stunden zuvor laufen gegangen. Ich habe mir genügend Essen und Trinken für den Abend angeschafft. Außerdem waren meine Mitbewohner an dem Tag extra rücksichtsvoll und ich hatte quasi den ganzen Tag pure Ruhe um mich aufs Spielen zu konzentrieren.
So ab 1 Uhr nachts wurde es allerdings immer schwerer, da mich so langsam die Müdigkeit übermannte. An dieser Stelle hat mir Zander99 von PokerStrategy sehr geholfen. Wir haben quasi ab 1 Uhr die ganze Zeit geskyped und ich hatte so die Möglichkeit meine Gedanken laut auszusprechen und fokussiert zu bleiben. Danke nochmal dafür!

PF: Wie war es dann von der Money bubble bis zum Final Table?
J: Wieder hatte ich mich gut vorbereitet, war natürlich noch ein bisschen erschöpft vom Vortag, aber sobald ich wieder am Spielen war, hatte sich das gelegt. Ich kann mich erinnern zwei toughe folds gemacht zu haben, einmal hatte ich gegen eine 3bet gecallt. Das Board kam high und der Gegner hat Flop und Turn gebetted. Der River kam eine und ich habe recht schnell gefoldet, da ich dachte, dass die Karte extrem gut mit der Range des Gegner connected und dieser viele Bluffs auch am Turn aufgegeben hätte.
Eine andere Hand habe ich mit geflopptem Bottom Pair und turned Two Pair zwei Streets gegen Continuation Bets gecallt. Der River kam eklig und es war für den Gegner kaum möglich schlechtere Hände zu valuebetten oder Air Hände in der Range zu haben. Darum habe ich auch hier trotz meiner weaken Range den toughen Fold gefunden.

PF: Dein Gutshot* gegen WushuTM. Karma wegen der 30K Spende oder schlicht und einfach Varianz?
J: Jaaa, der Gutshot gegen Wushu. Ist vermutlich die diskussionswürdigste Hand, die ich im gesamten Turnier gespielt habe, da viele Spieler sie anders spielen würden. Ich glaube nicht an Karma, von daher schlicht und einfach Varianz.

PF: Wie kamst du eigentlich dazu mehr als €30.000 an das Kinderhilfswerk zu spenden?
J: Also ich hatte schon immer 10% meiner Winnings an die Kindernothilfe gespendet.
Weil ich Poker entgegen der perception [Anm.: Vorstellung] vieler Leute als eine hervorragende Möglichkeit den Menschen zu helfen, die diese Hilfe dringend nötig haben, sehe. Also Poker wird ja von vielen als sehr unproduktiv und eigennützig gesehen.
Nachdem ich dann von September bis April eine längere Pokerpause eingelegt hatte, fühlte ich mich gewissermaßen etwas unwohl wie ich einfach nur auf meinem erspielten Geld saß, ohne es in irgendeiner Weise sinnvoll einzusetzen.
Im April war ich dann mit meinem zweiten Semester in der Uni fertig und auch sonst hatte ich wieder viel mehr Zeit, da ich sozial nicht mehr so eingebunden war, wie während des Semesters. Zu dem Zeitpunkt war ich, wie man auf Englisch so schön sagt, sehr rusty, was Poker anbelangte und wollte wieder auf mein altes relatives Skillevel zurückkommen.
Also hatte ich zwei Ziele. Ich wollte wieder mehr Poker spielen und ich wollte etwas Sinnvolles tun. Daraus entstand dann das Projekt, dass ich all meine Heads-up Sit-and-Go Sommer-Winnings spenden würde.

PF: Als dann der Deal startete, da habt ihr – Carter, Telker und du – ja ordentlich Druck auf den Shorty FOO ausgeübt. Kein Mitleid oder ist so etwas bei einem Deal unverzeihlich?
J: Naja ich habe ja eigentlich nur gesagt, dass ich nichts verlangen aber auch nichts abgeben werde und erklärt warum, sodass jeder verstanden hat, dass ich tatsächlich lieber spielen werde, als etwas abzugeben. Ich kann aber Telker durchaus verstehen, wenn er mehr wollte. Er musste annehmen, dass er zu dem Zeitpunkt noch eine relativ gute Edge hatte, zumal seine Position am Tisch gut war.
Und, wenn er nichts beziehungsweise wenig dagegen hatte, ohne Deal weiterzuspielen, dann ist es definitiv korrekt etwas mehr zu verlangen.

PF: Hattest du keine ‚Angst‘ Telker würde den Deal abbrechen und dein Good Run endet auf Rang 6 für ’nur‘ die knappe Viertelmillion?
J: Ich hatte eigentlich schon erwartet, dass weitergespielt wird. Es wäre für mich in Ordnung gewesen, da es zwar mit deutlich mehr Varianz aber auch mit etwas mehr EV einhergegangen wäre. Dennoch war ich froh darüber, dass der Deal durchgegangen ist.

PF: Wenn man mehr als $800.000 sicher in der Tasche hat, ist es das schwer den Fokus zu behalten, weil man denkt „besser kann’s nicht kommen?“
J: Es war vor allem schwer den Fokus zu behalten, weil wir schon so lange gespielt und gedealed hatten. Ich glaube aber, die Completion [Anm.: Abschluss] des Deals hat die Situation eher entspannt, sodass ich tendenziell nach dem Deal stärker spielen konnte als zuvor.

PF: Das Kicker Duell** gegen Carter hat dir dann die Chancen auf weitere $100.000 gekostet. Ich bin ja ein Poker Noob, daher mal eine pokertechnische Frage: Würdest du den Call wieder machen?
J: Es war eine Situation, in der ich noch viel zu wenig Informationen über meinen Gegner gesammelt hatte, um eine read-basierte Entscheidung zu treffen. Und während ich wusste, dass Gegner diesen Spot selten zum bluffen nutzen würden und eine Hand wie K9 und A9 sehr wahrscheinlich erschien, hatte ich eine der besten Hände, die ich in dem Spot jemals hätte halten können, sprich „Top of my Range“.
Außerdem hatte ich relativ gute Potodds und mit der 9 einen Blocker für seine Valuerange. Dass der Gegner viele Air-type-Hands halten kann, bevor er pusht, und Grund hat anzunehmen, dass ich gegen einen Push viele Hände folden würde, ist auch klar, sodass ich mich am Ende zum Call gezwungen sah. Ja, ich würde den Call wieder machen.

PF: Am Ende hat maratik das Ding geshippt. Die Railbirds hatten ja jede Menge Spaß mit dem ‚i wont million‘ Champion. Konntest du auch etwas schmunzeln, od. warst du zu der Zeit zu müde und oder zu sehr fokussiert?
J: Ja, ich fand es megalustig. (lacht) Ich hab aber erst später mitbekommen, dass er am Ende gewonnen hat.

PF: Das WCOOP Ergebnis ist dein größter, wenn auch nicht einziger, Online Erfolg. Hast du auch schon live Einiges einspielen können?
J: Ich hatte auch live schon gute Erfolge, aber nicht in diese Größenordnung.

PF: Kommen wir mal zum Ende. Vom großen Gewinn bleibt auch abzüglich von Investitionen und Shares noch einiges übrig. Wirst du dir was Größeres kaufen, wird es angelegt oder machst die Befürchtungen aller Poker Mütter wahr und verspielst es direkt wieder?
J: Ich habe diesbezüglich noch keine weiteren Pläne gemacht. Sicher ist allerdings, dass ich wie immer 10% meines Profits für einen guten Zweck weggeben werde.

PF: Letzte Frage. Als Coach bist du ja nicht gerade unschuldig, dass die Gegner im besser werden. Jetzt mal ganz ehrlich, kann man heutzutage noch von Null starten und mit viel Arbeit ein ‚Poker Pro‘ werden, der Mid Stakes grindet?
J: Mit Sicherheit kann man das. Alles, was man dazu braucht, ist ein eiserner Wille, ein solides Mindset, eine kleine Portion Talent und genug Zeit zum Spielen und Arbeiten.

PF: Vielen Dank für deine Zeit und das Interview!

Das Interview wurde von Markus Grokenberger für Poker Firma und den PokerStars Blog geführt. An dieser Stelle auch noch einen Dank an PlauZee, der geholfen hat.

* Bei etwa 18 left callt Jossel2008 mit preflop eine 4-Bet von Wushu. Am Flop check-raist er all-in, Wushu Callt mit :Th: :Td: und am River kommt die Straight.
** Auf dem River lag , Ryan Carter mit setzte Jossel2008 all-in und der Deutsche callte mit .


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